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Magazin
22.03.2025
23.03.2025
Themenbeitrag

Safe Space und andere Worthülsen

 

Liebe Mitglieder,

bevor ich konkret auf die Sklavenzentrale zu sprechen komme, möchte ich ein wenig ausholen.

Mein Eindruck ist, dass in den letzten Jahren das Bemühen um das, was man wohl als "politische Korrektheit" bezeichnen kann, immer stärker geworden ist. Grundsätzlich halte ich das für eine positive Entwicklung. Doch scheint mir diese Korrektheit häufig nicht mehr als ein oberflächliches Lippenbekenntnis zu sein – reflexartig, unreflektiert und mit dem hauptsächlichen Ziel geäußert, sich selbst in einem unangreifbaren Licht zu präsentieren oder unpopuläre Standpunkte zu überspielen.

Um das zu verdeutlichen, ein zugespitztes Beispiel:

Hätte ich vor zehn Jahren eine Mail an den fiktiven Wursthersteller LeckerWurst GmbH geschrieben und mich beklagt, dass mir der Anteil an Babykatzenfleisch in der Wurst zu gering sei, weil ich das Aroma besonders schätze, hätte mir das Unternehmen vermutlich mit deutlichen Worten mitgeteilt, dass mein Anliegen absurd sei und ich mich trollen möge.

Heute hingegen, in einer Welt, in der wir uns alle auf Augenhöhe begegnen und Wertschätzung großgeschrieben wird, würde die Antwort wohl eher so lauten:

"Lieber Kunde,
vielen Dank für Ihre Offenheit und das Vertrauen in unsere Produkte. Mit Bedauern nehmen wir zur Kenntnis, dass der Anteil an Babykatzenfleisch in unserer Wurst nicht Ihren Erwartungen entspricht.

Unser Team ist stets bemüht, unsere Wurstprodukte zu verbessern, und wir nehmen die Anregungen unserer Kunden sehr ernst. Wir danken Ihnen für Ihr wertvolles Feedback."

Mein Beispiel ist bewusst überzogen, aber wer sich schon einmal offizielle Antworten auf Kundenkritiken in Bewertungsportalen angesehen hat, weiß, was ich meine.

Respektvolle Reaktionen sind grundsätzlich nichts Schlechtes. Doch diese Art der weichgespülten, konfliktvermeidenden Kommunikation richtet meiner Meinung nach erheblichen Schaden an. Sie ermutigt den Beschwerdeführer in der Annahme, dass sein Anliegen – ungeachtet seiner inhaltlichen Substanz – einen Wert hat. In einer ohnehin zunehmend egozentrischen Gesellschaft halte ich das für sehr problematisch.

Gleichzeitig bleibt oft die Erkenntnis nicht aus, dass trotz all der scheinbaren Wertschätzung keine Änderung eintritt. Das führt unweigerlich zu einem Vertrauensverlust gegenüber den Unternehmen. Unglücklicherweise entsteht zudem ein Sogeffekt: Je mehr Unternehmen diesen Kommunikationsstil pflegen, desto unprofessioneller erscheinen diejenigen, die sich trauen, klare Absagen zu formulieren. Ein einfaches "Wir sehen das anders" wirkt inzwischen fast schon revolutionär.

Anstelle von Floskeln wie "Datenschutz nehmen wir sehr ernst" – eine nichtssagende Worthülse, die selbst auf Phishing-Seiten nicht fehlt – wäre mir eine klare Aussage fast lieber: "Datenschutz? Keine Ahnung. Machen Sie das lieber selbst." Dann wüsste ich zumindest, woran ich bin.

Was mir derzeit fehlt, sind unmissverständliche und ehrliche Aussagen darüber, was ich von einem Angebot erwarten kann und was nicht. Ich bin dieser glitschigen, aalglatten, keinen vergraulen wollende, Marketingbotschaften müde.

An diesem Punkt komme ich zur Sklavenzentrale. Und bevor Missverständnisse aufkommen: Dies ist meine persönliche Ansicht, keine mit der Betreiberin oder dem Team abgestimmte Position.

Von den Mitgliedern der Sklavenzentrale werden über den Support Erwartungen formuliert. Ich spreche nicht von den harten Fakten wie Funktionen, Preisgestaltung oder Fehlerbehebungen, sondern von den soft skills der Community:

  • Ist die SZ ein Safe Space für Frauen?
  • Schützt mich die SZ vor Triggern?
  • Was tut die SZ gegen rassistische Mitglieder?
  • Wie geht die SZ mit Nazis um?
  • Wie schützt mich die SZ vor emotionalen Verletzungen durch andere Mitglieder?
  • und einige andere mehr

Die meisten Wünsche an die Sklavenzentrale sind überaus nachvollziehbar. Die naheliegende Marketingantwort wäre:

"Wir nehmen dein Wohlbefinden sehr ernst und möchten, dass du dich in der Sklavenzentrale sicher und geborgen fühlst."

Und im Kern ist diese Aussage auch nicht falsch – doch in der Realität nicht immer umsetzbar - so meine These.

Ich kenne niemanden in unserem Team, der nicht möchte, dass sich alle wohlfühlen und Spaß haben. Doch ein Blick in eine beliebige Forumsdiskussion zeigt, dass selbst bei harmlosen Themen wie "Hundewelpen" keine durchweg positive Stimmung garantiert werden kann.

Ein konkreteres Beispiel: Ist die Sklavenzentrale ein Safe Space?

Meiner Meinung nach ist sie das nicht und kann es auch nicht sein. Die Definition des Begriffs ist dabei natürlich entscheidend.

Für mich ist ein Safe Space ein Ort oder eine Umgebung, in der sich Menschen sicher fühlen können, frei von Diskriminierung, Mobbing oder negativen Konsequenzen für das Äußern ihrer Meinungen, Gefühle oder sexuellen Präferenzen. Ein Ort wo Menschen sich öffnen können, ohne Angst vor Verurteilung oder Ablehnung.

Das wäre für uns als BDSM-Community ein wünschenswertes Ideal, denn wir haben in der Community Menschen unterschiedlichster Neigungen und nicht wenige fürchten - nicht zuletzt deswegen - von anderen abgelehnt zu werden.

Doch wie sieht die Realität aus?

Beispiel: Ein Mann mittleren Alters der sich „unter Gleichgesinnten“ wähnt und für den Begriffe wie "Titten“, „Euter“ oder "Weib" positiv konnotiert sind, kommentiert ein Bild, das ihn sichtbar begeistert mit: "Ein Prachtweib mit tollen Eutern".

Die Einstellerin wiederum ist entsetzt, so herabgesetzt hat sie sich noch nie gefühlt. Der Kommentator spricht ihr die Menschlichkeit ab, denn Euter haben schliesslich nur Kühe und ein Weib ist sie auch nicht, bei Wikipedia steht schliesslich: „Weib: Schimpfwort, das heißt abwertende, verächtliche Bezeichnung für eine Frau“

Sie schreibt an den Support mit der Bitte den Kommentar zu löschen und das Mitglied zu verwarnen oder besser noch ganz zu entfernen.

Wer ist hier das Opfer, wer der Täter?

Wer jetzt sagt: "Der alte Mann hätte sich eben vorher informieren müssen, welche Begriffe noch akzeptabel sind", dem möchte ich entgegnen: Ich brauche keinen Safe Space, wenn ich mich ohnehin nur im Rahmen des gesellschaftlichen Mainstreams bewege und keine kontroversen Worte wähle. Ein Safe Space sollte auch jene schützen, die unbedacht Ihre Worte wählen oder ihren, nicht verächtlich gemeinten, Emotionen folgen. Denn wenn ich nur aus einem vorher genau festgelegten Vokabular schöpfen darf geht jede Leichtigkeit und Spontanität verloren.

Das erinnert an die Orwellsche Dystopie: „Das Bild ist gut“ oder „Das Bild ist doppelt gut“

Doch gleichzeitig fühlte sich die Frau glaubhaft herabgewürdigt – und konnte das durch Wikipedia belegen. An solchen Widersprüchen zeigt sich, dass viele theoretische Modelle, die eine bessere, respektvollere Welt versprechen, an der Realität zerschellen.

In einer Community mit zehntausenden Mitgliedern prallen ebenso viele Welten aufeinander. Selbst innerhalb der relativ kleinen BDSM-Szene gibt es fundamentale Differenzen: Zwei Daddy-Doms sind sich einig, dass ihr Fetisch nichts Verwerfliches hat, während ein dritter Dom ihn ablehnt – und alle erwarten, dass ihre Sichtweise respektiert wenn nicht sogar geteilt wird. Wem also gebührt der Safe Space?

Genau deshalb glaube ich nicht an Internet-Schutzräume, in denen niemandes Gefühle verletzt werden (körperliche Übergriffe sind etwas anderes, die aber kommen im Internet nicht vor).

Stattdessen plädiere ich für emotionale Robustheit: die Fähigkeit, andere Meinungen und Ausdrucksweisen auszuhalten, ohne sie als Angriff auf die eigene Identität zu verstehen. Denn mit Menschen, die jede Kritik als persönlichen Angriff auf ihre Ehre oder ihren innersten, authentischen Kern werten, lässt sich nicht streiten – und ohne Streit gibt es keinen Fortschritt.

Vermeintlich wertschätzende Bullshit-Floskeln wie "Danke für dein Feedback, deine Meinung ist uns ein Anliegen.“ sind - als pauschales Statement - ein Irrweg!

Aus meiner Sicht, schadet ein wenig mehr „Klartext“ nicht - selbst wenn man ihn nicht teilt.

Selbstverständlich fühlen wir uns alle am Liebsten gut, aber je feinfühliger ich bin, desto seltener erreiche ich diesen Gemütszustand. Das ist nicht die Schuld meines Umfelds, das habe ich ganz allein in der Hand.

Bild: Adobestock - izzuan

Autor
MagicZyks
Admin
Admin - Offizielles Mitglied
Admins helfen den C.OPs, Deputies und Mods.
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