Von Leder, Lust und Lenden ...

Die Gor-Romane und ihre Bedeutung für die BDSM-Szene
Wenn man sich in die Welt der BDSM-Literatur begibt, findet man dort so einige seltsame Blüten der Fantasie. Doch keine ist so eigenwillig, umstritten und gleichzeitig ein ungewollter Dauerbrenner wie die Gor-Romane von John Norman. Diese seit 1966 erscheinende Reihe, die irgendwo zwischen Science-Fiction, Fantasy und Hardcore-Sex-Fantasy angesiedelt ist, hat eine treue Fangemeinde gefunden – insbesondere in Kreisen, die mit Peitschen, Halsbändern und dominanten Männern etwas anfangen können.
Ein Männertraum aus den 60ern
John Norman, seines Zeichens Philosoph und klassischer Philologe, schuf mit Gor eine Parallelwelt zur Erde, in der archaische, an antike Gesellschaften erinnernde Strukturen herrschen. Dort sind Männer stahlharte Krieger mit einem Hang zum Patriarchat und Frauen ... naja, meist Sklavinnen, die ihre unterwürfige Rolle mit einem Maß an Begeisterung annehmen, das jeden modernen Soziologen ins Koma befördern würde. Feministinnen lesen die Romane besser nach Einnahme einer großzügigen Portion Baldrian, doch für einige BDSM-Anhänger sind sie eine Art heiliger Gral.
Von der Buchseite ins Schlafzimmer
Obwohl die Gor-Romane oft als literarischer Schund belächelt werden, haben sie eine merkwürdig langlebige Wirkung auf die BDSM-Szene. Während die meisten Leser irgendwann feststellen, dass sich der Plot im Grunde mit jedem Band wiederholt (Held gerät nach Gor, Held wird Krieger, Held bekommt Sklavin, Sklavin wird gezähmt, Happy End), haben sich einige Fans die Philosophie der Serie zu Herzen genommen – oder anders gesagt, ins Schlafzimmer. "Gorean Lifestyle" ist eine Subkultur, die auf den Ideen der Bücher basiert und in der Menschen freiwillig die Rollen von dominanten Herren und gehorsamen Sklavinnen übernehmen.
Im allein im Internet existieren hunderte Webseiten, die sich mit den verschiedenen Gor-Stellungen und deren Bezeichnung befassen und auf BDSM-Seiten findet man stets Mitglieder welche die Gor-Terminologie für Sklave/Sklavin: Kajirus/Kajira verwenden, sich in Gor-Stellungen ablichten lassen oder das Kef-Brandzeichen als Tattoo tragen.
GOR und die Szene
Nun ist es selbst als BDSMerin nicht jederfraus Sache, sich ein Halsband umlegen zu lassen und mit dem Standard-Satz "Ja, mein Herr" auf Fragen zu antworten, dennoch ist in der SM-Szene Gor ein fester Bestandteil der Kultur geworden.
Auch wenn einige SMer den sexistischen Unterton der Romane anprangern, argumentieren andere, dass in einer einvernehmlichen, sicheren und durchdachten BDSM-Beziehung genau solche Fantasien ausgelebt werden dürfen.
Was Norman vermutlich nicht beabsichtigt hat: Seine ausufernden Monologe über die "wahre Natur" der Geschlechter haben nicht nur Literaturkritiker zur Verzweiflung gebracht, sondern auch eine ganze Szene von modernen, aufgeklärten Menschen inspiriert, die seine Philosophie zumindest selektiv adaptieren.
Fazit: Trash mit nachhaltigem Einfluss
Die Gor-Romane sind in vielerlei Hinsicht eine bizarre Erscheinung der Popkultur. Sie sind kitschig und voller überholter Rollenbilder – und doch haben sie einen nachhaltigen Einfluss auf unsere Subkultur. Während das literarische Feuilleton die Nase rümpft, knien sich submissive Menschen nahezu überall in der Welt freiwillig hin und flüstern: "Ich bin deine Kajira, mein Herr."
Ungeachtet der Tatsache, ob man Gor nun als frauenfeindliches Machwerk, skurrile Erotikfantasie oder unfreiwillige Komödie sieht – eines kann man John Norman nicht vorwerfen: dass seine Werke keinen Einfluss auf große Teile der Leserschaft hatten.
Bild: M. Zyks & KI (DALL•E)


